Ein paar wichtige Dinge von denen ich mir jetzt wünsche, dass ich sie schon in der Schule verstanden hätte.
Dieser Artikel ist aufgebaut auf einem Vortrag den ich während der "Wirtschaftswoche" meiner alten Schule gehalten habe. Ich hatte nie das Gefühl, dass mich die Schule auf das "echte Leben" vorbereitet. Das tut sie nicht, ist aber auch nicht ihre Aufgabe. Für diese Erkenntnis habe ich nach der Schule noch 14 Jahre, ein Bachelor- und ein Masterstudium (die einen übrigens genauso wenig auf das "echte Leben" vorbereiten) und einige selbst gegründete Firmen gebraucht .
- Bitte nicht falsch verstehen, die Schule und alles was man während der Schulzeit lernt, kann sehr wohl extrem relevant im echten Leben sein. Ich habe nur meinen Job als Schüler falsch verstanden. Ich dachte mein Job wäre es, das zu lernen was mir vorgesetzt wir und positiv abzuschließen (für gute Erfolge reichte die Motivation ohnehin nicht). Dann dachte ich mein Job wäre die Matura zu machen und anschließend dachte ich mein Job wäre es das Studium abzuschließen. Ich habe mich belogen, mir selbst auf die Schulter geklopft und gedacht ich hätte etwas "erreicht" (genauso wie ausnahmslos alle meiner Mitschüler bzw. Mitstudenten auch).
- Exakt den selben Fehler habe ich im Hinblick auf meine berufliche "Erfahrung" während der Schule und des Studiums gemacht. Ich dachte meine Aufgabe wäre es einen schönen Lebenslauf zu basteln, der für einen zukünftigen Arbeitgeber gut aussieht (ORF, Banken, Steuerberater und dergleichen).
Im Nachhinein merkt man erst wie lächerlich diese Annahmen waren. Ich hatte ja noch keine Ahnung für welchen Arbeitgeber mein Lebenslauf überhaupt gut aussehen soll. Mit anderen Worten, ich wusste noch nicht welche Art von Job ich einmal machen werde. Dafür müsste man nämlich (beruflich relevante) Interessen entwickeln und wissen was man kann. Besondere Ironie des Lebens: Den Lebenslauf für einen Arbeitgeber zu optimieren hätte ich mir ohnehin schenken können. Ich habe nämlich keinen - ich bin mein Arbeitgeber.
Jeder Schüler kennt die Frage "Und? Was magst du nach der Matura einmal machen?". Meine Antwort war meistens ein schulterzuckendes "mal schauen - wird sich schon ergeben". Und exakt da liegt das Problem. Eigentlich hätte ich alles daran setzen sollen herauszufinden was ich kann und worin ich gut bin. Mit der "Was willst du mal machen?"-Frage geht meistens auch die "Na was interessiert dich denn?"-Frage einher. Die ist zwar schon etwas besser, aber eigentlich immer noch ziemlich schlecht. Die wenigsten wissen von vornherein worin sie gut sind. Man kann auch nicht dasitzen und sich überlegen was einen interessiert. Und schon gar nicht kann man als Schüler sagen welches seiner eigenen Talente am Arbeitsmarkt gebraucht wird. Das liegt sicherlich auch daran, dass man sich schwer vorstellen kann wie die meisten Jobs eigentlich wirklich ablaufen.
Dieses Problem ist heutzutage größer als es noch vor 40-50 Jahren war. Unsere Eltern hatten weniger Probleme sich in der Schule vorzustellen was in der Arbeitswelt auf sie zukommt, weil sich die Welt noch nicht so schnell verändert hat. Ein Studium damals war fast eine Jobgarantie. Sie konnten mit 16-17 schon abschätzen wo sie mit 35 oder 45 landen werden.
Die Welt ändert sich aber ständig und der Takt mit der sie sich ändert wird laufend schneller.
Ein kleiner Exkurs in die Geschichte der Bildung
- Industrielle Revolution
In Zeiten der industriellen Revolution hat sich unsere Welt von einer bäuerlichen, auf eine industrielle geändert. Die Folge war, dass man plötzlich viele ausgebildete Leute brauchte, diese sollten aber mehr oder weniger Befehlsempfänger sein. Sie sollten in Fabriken genau das machen was ihnen gesagt wurde. Nicht mehr. Bittererweise wurde auch in dieser Zeit unser Bildungssystem entworfen und seitdem kaum mehr angepasst. - Automatisierung
Danach kam eine Welle der Automatisierung. Produktionen wurden automatisiert oder ins Ausland verlagert. In Österreich und der restlichen westlichen Welt wurde mit einem Anstieg an höherer Bildung reagiert, um einen großen Teil der Bevölkerung auf kreative und leitende Tätigkeiten "umzustellen". Mehr Leute studierten, die Schulausbildungen wurde de facto entwertet und die Jobgarantie Studium war auch verflogen. - Künstliche Intelligenz, Robotics, etc.
Jetzt kommt noch eine ganz andere Dimension dazu. Dinge die früher von hoch ausgebildeten Fachkräften gemacht wurden, werden nun von Computern und Robotern übernommen. Und auch dieser Trend ändert unser Leben in einer Art und Weise die wir noch nicht mal abschätzen können.
Was genau heißt das jetzt für mich denkt sich mein 16-jähriges ICH
Fassen wir kurz zusammen:
- Die Schule hält nicht was sie (vermeintlich) verspricht, fordert aber trotzdem Gehorsam.
- Die Zukunft ist ungewiss und ich kann nicht wirklich sagen was mich im Job erwartet. Ich sehe nur, die Erwartungen sind hoch.
- Ich weiß nicht was ich kann, was mich interessiert und welche Jobs es für mich gibt.
Kein Wunder dass viele Schüler, Studenten, Jobeinsteiger überfordert sind, unrealistische Ansprüche haben und enormen Druck verspüren.
Was also tun?
Zu allererst mein Tipp: Nicht wie ich machen. Die Schule hat meine Neugierde abgewürgt und ich habe aufgegeben. Gerade genug um durchzukommen, nicht mal annähernd was möglich gewesen wäre. Im Studium das gleiche. Wann also habe ich begonnen wieder wirklich neugierig zu werden und mich weiterzuentwickeln? In dem Moment in dem ich mich selbstständig gemacht habe. Unternehmen gründen ist schwierig. Man muss viel wissen, viel können, ist die Ansprechperson für alles. Daraus folgt, dass man sich mit extrem vielen Dingen beschäftigen muss und Probleme löst. Daraus entwickelt sich ein Interesse, dass keine Schule der Welt nachbilden kann.
Das ist die großartige Nachricht. Schwierige Dinge zu machen, spornt einen an, das Beste aus einem heraus zu holen.
Worauf will ich hinaus?
Natürlich nicht darauf, dass jeder während der Schule Unternehmen gründen muss (oder überhaupt Unternehmen gründen muss). Außer man ist zufällig schon mit 8 ein Wunderkind und weiß genau was man sein Leben lang machen will, ist die erste Aufgabe genau das.
"Herausfinden was ich machen will".
Dabei ist die Frage nach Talenten und Neigungen, wie schon erwähnt, wenig hilfreich. Sie impliziert, dass man mit Talenten geboren ist und man sie nur "finden" muss. Bis auf wenige Ausnahmen ist das schlicht falsch.
Realistischer ist es, dass man nach Dingen sucht die das Interesse wecken und an ihnen zu experimentieren oder zu probieren beginnt. Je schwieriger desto besser. Wenn man vor einem Problem steht und es löst spornt es an mehr davon zu machen.
Wie finde ich "schwierige Dinge" mit denen ich mich beschäftigen kann?
Prinzipiell sollte man sich dabei immer an Dingen orientieren, die ein gewisses Interesse bei einem wecken. Ein paar Faustregeln hierzu:
- Kreieren/Erschaffen ist schwerer als Konsumieren
Ein Buch zu schreiben ist um Welten schwieriger als ein Buch lesen. YouTuber zu sein ist schwieriger als YouTube zu schauen. - Neues erschaffen ist schwieriger als Dinge mit "Anleitung" zu machen
Einen Menschen frei zu zeichnen ist schwieriger als Malen nach Zahlen. Eine Gartenhütte selbst zu entwerfen und zu bauen ist schwieriger als eine fertige aus dem Baumarkt aufzubauen. - Besonders schwierig (aber auch besonders lehrreich) sind die Dinge zu denen man noch nicht alle nötigen Fähigkeiten hat.
Ein Computerspiel oder eine App kann sich jeder ausdenken, die meisten müssen dafür aber noch programmieren lernen.
Wenn ich jetzt in der Schule wäre, würde ich weniger versuchen meinen Lebenslauf für die "Arbeitswelt" zu optimieren, ohne zu wissen, was diese Arbeitswelt sein kann. Stattdessen würde ich die Zeit nach der Schule dafür nutzen, Dinge zu machen für die mir jetzt die Zeit fehlen. Zeichnen lernen, Programmieren, Holzarbeit, Filme mit meinen Freunden drehen, probieren eigene Onlineshops zu starten usw. usw. Aus jetziger Sicht bin ich davon überzeugt, dass ich so viel früher an relevanten Problemen gearbeitet und nie meine Grund-Neugier verloren hätten. Um alle Klischees zu bedienen: Ich hätte früher meinen "Weg" gefunden.
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